Sozialpädagogik in der Schule

Für Sie im Hauptpersonalrat

HLZ 4/2016: Personalratswahlen

„Ich weiß nicht genau, was Sozialpädagogen machen, aber mit ihnen geht es besser.“ Dieser Satz ist mir unvergessen. Gehört habe ich ihn vor über 20 Jahren bei einer schulinternen Fortbildung zum Thema Eingangsstufe. Der vom Kultusministerium entsandte Experte wusste nicht, dass zwischen den vielen Lehrkräften aus Grund- und Förderschule auch fünf „Sozpäds“ saßen. Man sieht sie uns nicht unbedingt an, die Sozialpädagogik. Auch in den bewährten Teams sind Lehrkräfte und Sozpäds oft kaum zu unterscheiden.
Später erinnerte ich mich an den Satz, wenn wieder einmal in Unkenntnis der unterschiedlichen sozialpädagogischen Aufgabenfelder von den Sozpäds ein allumfassendes Wunschkonzert abverlangt werden sollte. Da hörte sich die Feststellung „… aber mit ihnen geht es besser“ dann an wie eine umfassende Forderung: „Mach, dass es besser geht.“

Sozpäds können viel, aber nicht jede und jeder Einzelne kann alle Bereiche des sozialpädagogischen Spektrums bedienen. Eine einzelne sozialpädagogische Fachkraft kann nicht alle „schwierigen Fälle“ einer Schule lösen. Sie kann auch nicht einerseits im Unterricht mit den Lehrkräften Hand in Hand arbeiten und dann noch für ein paar weitere Stunden beratend unabhängige Schulsozialarbeit leisten. Das wäre eine unprofessionelle Rollenvermischung. Sozpäds richten den Fokus auf die ganzheitliche Entwicklung junger Menschen und unterliegen nicht vorrangig der Verpflichtung, Fachwissen und schulisches „Fächerwissen“ zu vermitteln.

Wikipedia bietet die folgende etwas längere Definition: „Sozialpädagogik benennt einen Wissenschaftszweig von Erziehung, Bildung und sozialstaatlicher Intervention. In der Sozialpädagogik wird versucht, die Eigenverantwortung eines jungen Menschen und damit seinen selbstständigen Umgang mit allgemeinen Lebenslagen in der Gesellschaft zu stärken. Da die Befähigung eines jungen Menschen, am gesellschaftlichen und öffentlichen Leben teilzunehmen, nicht bei jedem gleich ausgebildet ist, beschäftigt sich die Sozialpädagogik auch mit der Möglichkeit, gesellschaftliche Benachteiligung abzubauen.“

Sozialpädagogik in Schule ist mehr als ein „Unterstützungssystem“ zur Erledigung der schulischen Kernaufgaben und kann auch nicht von Lehrkräften zusätzlich geleistet werden. Ja, Schule geht besser mit den Sozpäds. Am besten geht es, wenn sich Lehrkräfte und Sozpäds wertschätzend auf Augenhöhe begegnen, wenn sie offen für die verschiedenen pädagogischen Kompetenzen sind und diesen mit Respekt im Team Raum geben. Wir haben in Hessen gute Instrumente, um Sozialpädagogik an Schulen zu verankern.

Es fehlt allerdings fast immer an Verlässlichkeit und Umfang:

  • Unabhängige Schulsozialarbeit in der Trägerschaft von Kommunen und Kreisen gibt es bisher nur an wenigen Schulen. Es wäre zeitgemäß, sie an jeder Schule zu etablieren.
  • Der Bedarf an sozialpädagogischer Arbeit in Vorklassen und Eingangsstufen ist – auch im Sinne gelingender Inklusion - wesentlich höher als das derzeitige Angebot.
  • Unterrichtsunterstützende sozialpädagogische Förderung ist eine neue Option für alle Schulen. Nur wenige können davon Gebrauch machen, denn sie kann bisher nur aus dem rechnerischen Zuschlag zur Grundunterrichtsversorgung oder aus dem Sozialindex finanziert werden. Die GEW fordert dagegen eine verlässliche reguläre Zuweisung.
  • Sozialpädagogische Arbeit an den Schulen mit den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung bzw. körperliche und motorische Entwicklung hat in Hessen Tradition. Für je drei Klassen wird eine sozialpädagogische Fachkraft zugewiesen. Die GEW fordert, pro Klasse eine Förderschulkraft und eine sozialpädagogische Fachkraft zuzuweisen.
  • Die sozialpädagogische Arbeit in der Inklusion ist dereguliert und der Beliebigkeit der Modellregionen überlassen. Der besorgniserregenden Tendenz zur Entprofessionalisierung setzt die GEW ihre Forderung entgegen, dass das Land Schulen, die inklusiv arbeiten, mit multiprofessionellen Teams aus „Regelschullehrkräften“, Förderschullehrkräften und sozialpädagogischen Fachkräften versorgt. Integrationshelfer zur persönlichen Assistenz nach SGB sind zusätzlich für das einzelne Kind von Bedeutung, können aber sozialpädagogische Professionalität in der Klasse nicht ersetzen.

Vor wenigen Tagen fragte ich eine Sozpäd, die im Sommer nach Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand treten wird, nach ihren Plänen für „die Zeit danach“. Ihre Antwort war bedrückend: Sie wolle in den Osterferien eine Wohnung in den östlichen Bundesländern suchen. Sie habe dort zwar weder Freunde noch Familie, hoffe aber auf eine erschwingliche Miete. Sie lebt allein und hat ein komplettes Arbeitsleben ohne „Ausfallzeiten“ im hessischen Schuldienst hinter sich. Allerdings musste sie in den letzten Jahren aufgrund einer schweren Erkrankung ihre Arbeitszeit reduzieren und erwartet nun eine Rente von 1.200 Euro. Den „Luxus“ einer Zweizimmerwohnung und eines Autos könne sie an ihrem jetzigen Wohnsitz in Hessen nicht finanzieren.

Die Schieflage zwischen Arm und Reich hat längst die Berufstätigen, vor allem in den sogenannten Frauenberufen, erreicht. Die Sozpäds im Sozial- und Erziehungsdienst haben 2015 vier Wochen lang für eine grundsätzliche Verbesserung ihrer beruflichen Situation gestreikt. Das Ergebnis ist nicht zufriedenstellend, aber ein Anfang ist gemacht. Die GEW konnte mit ihren Sozpäds an den Schulen und den angestellten Lehrkräften durchsetzen, dass der Tarifvertrag Hessen nicht vom Tarifvertrag aller anderen Bundesländer abgekoppelt wurde. Und unsere Tarifkommission wird in den Verhandlungen über die Lehrkräfteentgeltordnung (L-EGO) für die dringend notwendige finanzielle Aufwertung der sozialpädagogischen Berufe im Schuldienst eintreten. Von Arbeit muss man leben können, auch im Alter.

Für Sie im Hauptpersonalrat

Moni Frobel leitet das Referat Sozialpädagogik im GEW-Landesvorstand. Sie kandidiert auf Platz 6 der Liste der GEW für die Gruppe der Beamtinnen und Beamten. Sie ist Sozialpädagogische Mitarbeiterin an der Erich-Kästner-Schule in Marburg-Cappeln. Mit Annette Karstens (Käthe-Kollwitz-Schule Hofgeismar) und Rainer Bayers (Paul-Zimmermann-Schule Korbach) kandidieren weitere sozialpädagogische Fachkräfte auf sicheren Listenplätzen der Gruppe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.