Mein Thema: Inklusion

Für Sie im Hauptpersonalrat

HLZ 4/2016: Personalratswahlen

Wir alle wissen, dass die von der Bundesrepublik Deutschland 2009 ratifizierte Behindertenrechtskonvention der UNO die inklusive Beschulung zum Menschenrecht erhebt. Dennoch steht ihre Umsetzung in Hessen nach wie vor unter dem Vorbehalt, dass die sächlichen und personellen Ressourcen vorhanden sein müssen. Dasselbe gilt für das Wahlrecht der Eltern nach § 54 des Hessischen Schulgesetzes.

Die hessische Landesregierung und das Kultusministerium halten an dem hochselektiven Schulsystem fest. Tragfähige Impulse, um die Aufteilung in Behinderte und Nichtbehinderte nachhaltig aufzulösen, sind nicht erkennbar. Strategisch wird an dem Parallelangebot von Förderschulen und inklusivem Unterricht festgehalten.

Weitere Umstrukturierungen im Bereich der sonderpädagogischen Förderung und der Beratungs- und Förderzentren (BFZ) sind zu erwarten, so dass alle Kolleginnen und Kollegen, die im sonderpädagogischen Bereich arbeiten, sei es an Förderschulen, an BFZ oder an allgemeinen Schulen, eine starke Interessenvertretung im Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer (HPRLL) brauchen.
Wir brauchen mehr Transparenz bei der Stellenzuweisung und mehr Rechte der Lehrkräfte und Personalräte bei Versetzungen und Abordnungen. Der HPRLL hat sich in den Stufenverfahren erfolgreich gegen die zwangsweise Versetzung von Förderschullehrkräften zur Wehr gesetzt, die von allgemeinen Schulen, in deren Kollegien sie gut integriert waren, an ein BFZ versetzt werden sollten. Veränderte Organisationsstrukturen und Aufgabenzuschreibungen für Förderschullehrkräfte haben zu massiven Auseinandersetzungen über das Berufsbild geführt. Kolleginnen und Kollegen werden oft nur unzureichend auf veränderte Anforderungen vorbereitet.

Förderschullehrkräfte brauchen Rückhalt

Lehrkräfte der BFZ berichten uns, dass sie bei der Arbeit an den allgemeinen Schulen in eine Rechtfertigungsposition gedrängt und persönlich für zu geringe Zuweisungen verantwortlich gemacht werden: „An einem Tag kommt die BFZ-Lehrerin, den Rest der Woche werden wir mit den Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf allein gelassen.“ Dieser Hilferuf ist berechtigt, doch der Mangel darf nicht den Förderschullehrkräften angelastet werden. Auch für die schlechtere Bezahlung der Grundschullehrerinnen sind nicht die Förderschullehrkräfte verantwortlich. Doch auch diese Konflikte sind Hindernisse auf dem Weg zur Inklusion, die offensichtlich dem Engagement und der Selbstausbeutung der einzelnen Lehrkraft und der einzelnen Schulen überlassen bleibt.

Der HPRLL fordert gemeinsam mit der GEW, dass das Hessische Kultusministerium zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention einen systematischen Plan mit klar definierten landesweiten Zeit- und Zielvorgaben vorlegen muss. Stattdessen gibt es einen Flickenteppich mit einigen „Modellregionen“, von denen weder klare Steuerungsimpulse ausgehen noch klare Zielperspektiven formuliert werden. Die Umsetzungspraxis ist mithin an schwache personelle und strukturelle Planungssicherheiten geknüpft. Der HPRLL hält es in diesem Kontext für unabdingbar, dass es für alle an der Umsetzung der Inklusion arbeitenden Kolleginnen und Kollegen einen Ort und Ressourcen für den qualifizierenden professionellen Austausch und für die interkollegiale Beratung an den Schulen geben muss.

Förderschullehrerinnen und Förderschullehrer haben viele zusätzliche Aufgaben zu erledigen und arbeiten wie alle anderen Lehrkräfte auch beim Einsatz in den Regelschulen im Unterricht und mit Kindern. Wir wehren uns gegen die Unterstellung, diese Arbeit sei „kein Unterricht“ und deshalb müsse auch die Altersermäßigung für Lehrerinnen und Lehrer nach § 9 der Pflichtstundenverordnung entfallen.

Was die geplanten „inklusiven Schulbündnisse“ und die Dezentralisierung der sonderpädagogischen Förderung ab dem Schuljahr 2016/17 bringen werden, ob hier eine größere strukturelle Planungssicherheit entstehen wird, bleibt abzuwarten. Wir werden genau beobachten, ob die Zusammenführung aller Stellen für die sonderpädagogische Förderung an Förderschulen, für präventive Maßnahmen und in der Inklusiven Beschulung in einem Pool neue Spielräume eröffnet oder nur der Verschleierung des Mangels dient. Die Entwicklung einer neuen Konferenzstruktur innerhalb der „inklusiven Schulbündnisse“ wird sicher mit einem hohen strukturellen und bürokratischen Aufwand verbunden sein, zumal in die Ausgestaltung der „Modellregionen“ investierte Arbeit möglicherweise wieder zu den Akten gelegt werden muss. Mit Sicherheit werden die angekündigten 210 zusätzlichen Stellen nicht ausreichen, dass nennenswerte Ressourcen auch bei den Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf ankommen.

Im Rahmen der Novellierung des Hessischen Lehrerbildungsgesetzes wird es auch um das zukünftige Berufsbild der Förderschullehrerin und des Förderschullehrers gehen. Wie soll die Ausbildung so strukturiert werden, dass sie sowohl für den Unterricht an Förderschulen vorbereitet als auch für die ambulante Unterstützung und Beratung an den Regelschulen? Hessens Förderschullehrkräfte bringen per se ein hohes Maß an beruflicher Überzeugung und fachlicher Kompetenz in ihren Berufseinstieg mit. Sie brauchen deshalb – neben der bedarfsorientierten Ausstattung der Regelschulen mit Stundenzuweisungen – eine klare Perspektive, mit der sie in den Beruf starten: eine präzise Rollen- und Auftragsklärung und gut strukturierte Arbeitsbedingungen!

Für Sie im Hauptpersonalrat

Anna Held ist Förderschullehrerin und arbeitet schwerpunktmäßig an der Mittelpunktschule St.Blasius in Dornburg-Frickhofen. Auf der GEW-Liste für den HPRLL kandidiert auch Angela Scheffels, die vor ihrer Wahl zur Vorsitzenden des HPRLL an der Martinsschule in Linsengericht (Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung) arbeitete. Juliane Kothe, die auf dem Listenplatz 4 kandidiert, ist Leiterin der Brüder-Grimm-Schule in Hofgeismar (Förderschwerpunkt Lernen). Monika Frobel (Listenplatz 6) sowie Annette Karsten und Rainer Bayers, die auf der Liste der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kandidieren, arbeiten als sozialpädagogische Fachkräfte an Förderschulen in Marburg, Hofgeismar und Korbach.